Um die Serie über das Halten des Degens abzuschließen, hier noch ein Abschnitt aus Gründliche und vollständige Anweisung in der deutschen Fecht-Kunst auf Stoß und Hieb von Johann Adam Roux aus Jena. Das Werk ist 1798 erschienen.
„Am besten und bequemsten faßt man den Degen so, daß der Daumen mit dem obern Gliede auf das Kreuz nach der Richtung der Klinge, der Zeigefinger aber auf der entgegengesezten Seite längst den Parirstangen zu liegen kömmt, doch ohne damit am Stichblatt selbst hart anzulehnen: die übrigen drei Finger müssen den Griff fest in sich schließen, und zwar, daß der Knopf seitwärts außer der Faust sieht, damit er bei dem Einbiegen der Faust sich nicht in das Gelenke stemmen kann. Den Zeigefinger hüte man sich zwischen dem Stichblatt und den Parirstangen durchzustecken, weil man ihn währenden Fechtens bei Legaten und Battuten des Feindes leicht brechen könnte. Uebrigens gewöhne man sich, dieser Art, den Degen zu halten, unter dem Fechten unverändert getreu zu bleiben, immer einen gleichfesten Schluß der Finger damit zu verbinden, und ihn nie spielend in der Hand herumzuwenden.“
Auch bei Roux findet sich der Hinweis, auf gar keinen Fall die Finger durch die Parierstangen zu stecken. Der Zeigefinger wird auch bei ihm an der Parierstange angelegt und hat praktisch keinen Kontakt mit dem Stichblatt.
Per E-mail habe ich folgenden Kommentar von Andreas H. aus Salzburg erhalten. Ich gebe ihn gekürzt wieder:
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mit großem interesse hab´ ich die auszüge und betrachtungen zum thema „griffweise/handhabung“ des smallsword gelesen. ich hab auch mit siegi darüber diskutiert, der da eine andere sichtweise preferiert: siegi läßt den zeigefinger durch die öffnung zwischen parierstange und stichblatt stecken….
ich denke siegi muß das auch so fordern, da seine anfangs-bzw.haupt-bzw.grundgarde durch eine deutliche secondehandhaltung bei relativ gestreckter, zentraler armsposition charakterisiert ist. hielte man das epee wie bei roux, so könnte man aus dieser einladung heraus kaum bzw. nur mit größter mühe und krampf die nötige pronation erzeugen, die für diese seconde-hand vorausetzung ist.
wahrscheinlich wird bei roux et al. diese zentrale garde, mit einer schrägen terzhand ausgeführt, den das bietet sich als bequeme einladung an, und wäre auch ausführbar bei der von ihnen propagierten griffhaltung!
vielleicht läßt siegi den hofdegen so greifen, weil er eher in der italienischen fechtweise beheimatet ist. die italienischen waffen haben ein längeres ricasso, daher eine größere öffnung zw. par.stange und stichblatt, wo zeigefinger und auch noch mittelfinger platzhaben (siehe italienische florett-greifweise).
fakt ist aber, daß die greifweise die fechtechnik verändert, denn mit der von roux et al. vorgeschlagenen variante verschieben sich alle handhaltungten in richtung der suppination, wenn man davon ausgehen darf, daß die waffe -außer zur parade- entspannt gehalten werden soll.
quarthandhaltung kann dann fast schon überdreht werden, während die komplette pronation bei secondehandhaltung schwerfällt, falls man nämlich auch noch den ellbogen- wie sich´s gehört- schön innen halten will!
(…)
Fechten mit dem Hofdegen, Anmerkungen von S. Raczka
Zur Ausbildung „klassisches Fechten in Passau“ gehört auch das Fechten mit dem Hofdegen, auch Smallsword (kleines Schwert) genannt. Der Hofdegen war die zivile Waffe des Edelmannes im Spätbarock/Rokoko.
Die Fechttechniken des 18. und besonders des 19. Jahrhunderts weisen bereits viele Merkmale des französischen Florettfechtens auf. Der Hofdegen wurde als Duellwaffe noch bis spät in das napoleonische Zeitalter hinein verwendet.
Haltung der Waffe, Fechtstellung und Stoß sind nicht wirklich identisch mit der Waffenhaltung, wie diese der Sportfechter heute kennt. Es exestieren diverse alte Schriften, die sich mit der Führung und den Fechttechniken dieser Zeit befassen. Einige dieser Quellen sind:
L`Abbat, 1696 bzw. 1734; de Liancour, 1692; Domenico Angelo, 1763; Olivier, 1771: Schmidt, 1780 und Henry Charles W. Angelo, 1787
Es ist schwierig, die in alten Schriften beschriebenen Techniken zu verstehen und zu übersetzen. Auch sollte nicht alles ohne Hinterfragen akzeptiert werden. Das Wesentliche möchte ich jedoch nachstehend aufzeigen.
Die Haltung der Waffe
Entscheidend ist ohne Frage, welche Bauart der Degen hat. Es gab Waffen mit einem relativ langen Rikasso und solche, die praktisch kein Rikasso mehr hatten (spätere Datierungen, meist nach der 2. Hälfte des 18. Jh.).
Waffen mit relativ langem Rikasso hatten häufig zweischneidige Klingen, d. h., mit diesen Waffen wurden auch Hiebe durchgeführt. Einen Hieb mit dem Hofdegen kann man präzise nur dann setzten, wenn der Zeigefinger um die Parierstange gelegt wird, was später allgemein (der Degen ist nun ausschließlich Stoßwaffe) als nicht empfehlenswert geraten wird. Nachvollziehbar – wenn das Rikasso zu kurz ist, kann kein Finger durch den Fingerbügel geführt werden. Der oft gebrachte Einwand, man könnte sich bei einer gegnerischen Entwaffnung den Finger verletzten, finde ich nicht erwähnenswert. Auch damals waren Entwaffnungen wohl eher die Ausnahme als die Realität.
Grundsätzlich muß jeder Fechter seinen Hofdegen so halten, dass dieser ihm bequem in der Hand liegt und er technisch einwandfreie Aktionen durchführen kann.
Ein Zitat: wie einen Vogel in der Hand. Halten wir ihn zu fest, wird er zerdrückt, halten wir ihn zu locker, fliegt er uns davon.
Dass der Zeigefinger nicht am Stichblatt anzulegen ist, erwähnen fast alle Quellen.
Der Daumen liegt oben auf dem Kreuz auf und ist ca. 2 – 2,5 cm von der Brille/Coquille entfernt. Der Zeigefinger liegt darunter auf der Parierstange – oder wird durch den Fingerbügel geführt (sofern die Bauart des Degens dies ohne Probleme ermöglicht).
Die Garde (Ausgangsstellung, Auslage) wird meist in Supination, also Quartstellung, eingenommen in der Art und Weise, dass die Klingenspitze unter der eigenen Faust zu liegen kommt; die Spitze bedroht die untere Trefffläche, die Parierstange liegt waagrecht.
Garde (Auslage, Fechtstellung) und Stöße
Die Hofdegenschule arbeitet i.d.R. mit zwei Faustlagen: Pronation und Supination, zu deutsch: Ristlage und Kammlage.
Bei der Supination zeigen die Fingerspitzen nach oben (der Handrücken nach unten), bei der Pronation umgekehrt, also der Handrücken ist oben und die Fingerspitzen sind unten.
Die Supinationshaltung wird als Quarte bezeichnet. Es gibt Quart innen und Quart außen. Quart außen ist das, was später im französischen Sixte genannt wird. Aus diesen beiden Faustlagen leiten sich alle Stöße und Paraden ab.
Der Supinationsstoß wird als Quartstoß bezeichnet, der Pronationsstoß als Terzstoß. Ob ein Stoß in Supination oder Pronation geführt wird hängt davon ab, wo der Treffer landen soll.
Als Faustregel gilt: Angriffe erfolgen i.d.R. in der Supinationsstellung (Quartstoß), Riposten – wenn die Parade eine Terz/Secondparade war, in der Pronationsstellung. Entscheidend ist aber, welche Stellung dem Fechter selbst am angenehmsten ist und wie er am sichersten seine Treffer zu setzten vermag.
Hofdegen – Anmerkungen für das Fechten mit dem Hofdegen
Das Fechten mit dem Hofdegen entspricht im wesentlichen der französischen Florettschule, wie diese im 18. Jahrhunderts gelehrt wurde. Insbesondere Angelo (1765) und Schmidt (1713) haben ausführlich darüber geschrieben.
Auch wenn etliche Fechthandlungen heute nicht mehr verständlich sind oder nur schwer nachvollzogen werden können, weil unser heutiges Fechten bereits zu sehr vom Fechten mit der elektrischen Trefferanzeige und vielen Regeln, die häufig nur dem sportlichen Ablauf dienen – geprägt ist, sollten doch einige entscheidende Merkmale für das Fechten mit dem Hofdegen bekannt sein.
Anfang 1800 gilt die französische Fechtschule als abgeschlossen. La Boessière hat sie in seinem 1818 erschienenen Fechtbuch beschrieben. Das Duell mit dem Degen war noch Realität.
Anmerkungen für das Fechten nach der klassischen französischen Schule:
Quelle: Fechtmeister (AdfD) Günther Schmid, – Der französische Ausdruck im Florettfechten –
Eine Einladung, wie das Anbieten von Blößen, gibt es nicht. Man konnte sich dem Gegner beliebig gegenüberstellen. Die garde partagée – die geteilte Fechtstellung – wurde als die günstigste Ausgangsstellung für alle Bewegungen angesehen. Unterarm und Waffe bilden eine Linie. Der Fechtarm ist so weit vorgestreckt, daß Unterarm und Waffe eine Linie bilden. Die Waffe wird in Pronation gehalten und nur zum Stoß in die Supination genommen. Der Knauf liegt nicht am Puls auf.
Man an gibt die Waffe, man bindet oder läßt sich binden. Alle Aktionen erfolgen aus einer Bindung heraus. Die Stöße werden nach der Ausgangslage bezeicmhnet, nicht nach der Stelle, an der sie ggf. treffen.
verwendet werden Quart, Seconde, Prim, Terz und demi-cercle. Auch die Quart wird in Pronation gehalten, die Hand steht bestenfalls schräg.
Eine Umgehung der Glocke/Brille gilt als fehlerhaft, dégagement ist die Umgehung der gegnerischen Klingenstärke.
Siegfried R.
Kleiner Hinweis zum hier erwähnten Werk „Gründliche und vollständige Anweisung in der deutschen Fecht-Kunst auf Stoß und Hieb“. Das Buch hat nur wenig mit dem Stoßfechten nach Kreusslerischen Grundsätzen zu tun das in den Quellen der Roux Dynastie behandelt wird. Es handelt sich höchst wahrscheinlich um ein Werk von Venturini, denn seine „Die Fechtkunst auf Stoß und Hieb. In systematischer Übersicht“ enthält über weite Strecken fast gleichlautende Passagen. Genaueres hierzu:
https://fechtboden.jimdo.com/artikel/johann-adolph-carl-roux-und-die-gr%C3%BCndliche-und-vollst%C3%A4ndige-anweisung-in-der-deutschen-fechtkunst-auf-sto%C3%9F-und-hieb-1798/